Finnenhäuser in Einfeld

Bei einem Spaziergang durch Einfeld fällt die Finnenhaussiedlung deutlich ins Auge. Dabei handelt es sich um ein gut gegliedertes Baugebiet mit ursprünglich einheitlichen Doppelhäusern in Holzbauweise, den sogenannten "Finnenhäusern". Das Gebiet wird durch folgende Straßenzüge begrenzt: Im Osten durch "Enenvelde", im Süden durch "Kreuzkamp", im Westen durch "Op de Geest" und "Hufeisenweg" und im Norden durch  "Hufeisenweg" und "Ortheide". Im Jahr 1985 wurde eine *Satzung über die Möglichkeiten einer (Neu-) Gestaltung* der Häuser durch die Stadt Neumünster erlassen.

Um mehr über die Geschichte dieser Häuser zu erfahren, die nicht nur in Einfeld stehen, konnte man Peter Plischewski befragen. Er wurde 1965 in einem Finnenhaus geboren und beschäftigte sich bis zu seinem Tod im Jahr 2022 intensiv mit der Geschichte dieser Häuser, die zu Beginn der 1940er Jahre planmäßig vielerorts in ganzen Siedlungen errichtet wurden. Diese sind sowohl für Architekten, als auch für Historiker von Interesse und deshalb war Peter auch viel unterwegs innerhalb von Deutschland, aber auch nach Finnland.  

 
Ende der 80er Jahre kam in der Bevölkerung von Einfeld die Frage auf, woher der Name Finnenhaussiedlung kommt. Es gab viele Versionen und dies war der Anlaß für Peter, mit seinen Recherchen zu beginnen und auf die Suche nach Dokumenten und Zeitzeugen zu gehen. Er war bis zu seinem Tod in 30 Archiven und hat etliche Zeitzeugen befragt. Als erstes fand er Dokumente im Landesarchiv von Schleswig-Holstein in Schleswig. Das Ergebnis sind heute einige Veröffentlichungen in Heimatbüchern, eine große Ausstellung im Jahre 2003 im Kreismuseum Plön unter der Schirmherrschaft von Mirko Jokkela sowie ein Fernsehbericht im gleichen Jahr im Dritten Programm des Norddeutschen Rundfunks.

Die ersten Verhandlungen wurden während des Finnisch-Russischen Krieges 1939/1940 seitens Finnlands angestrebt. Doch wurden sie von der deutschen Seite abgelehnt wegen des Hitler-Stalin-Pakts – sogar von Hitler persönlich, weil finnische Offiziere Häuser gegen deutsche Waffen tauschen wollten. Erst der zweite finnische Anlauf führte zu Verhandlungen: Das war 1941, als klar war, dass das Deutsche Reich gegen Russland Krieg führen würde. In dieser Zeit wurden bereits deutsche Städte bombardiert. Besondere Angriffsziele waren die Städte mit Rüstungsindustrie, zum Beispiel Kiel, Rostock, Lübeck und Hamburg. Für die ausgebombten Rüstungsarbeiter musste schnell Ersatzwohnraum geschaffen werden. Da bot sich der finnische Handel an, Häuser gegen Getreide und Waffen zu tauschen. 1942 – 1944 wurden die Häuser geliefert. Die Planungs- und Bauzeit der Siedlungen war von 1941 bis 1945.

Vom 13.06.1941 bis zum 18.06.1941 fanden im Reichswohnungsministerium in Berlin Besprechungen zwischen Behördenleitern, Architekten und zwei finnischen Vertretern von der Firma Puutalo Oy, Helsinki, statt. Besonders zu erwähnen ist Professor Dr. Spiegel, der als Gebäudeplaner teilnahm. Dr. Spiegel war seit 1941 Leiter der Abteilung 4 „Gebäudeplanung“ beim Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau und Präsident der Abteilung „Normung und Typung“ der Deutschen Akademie für Wohnungswesen e. V. Die Finanzierung übernahm zunächst das Deutsche Reich, die Kosten sollten später auf Gemeinden, Bauträger und Hausbesitzer umgelegt werden.

Bei den Gesprächen ging es auch um Details. Die deutsche Seite hätte zum Beispiel gern ein Walmdach gehabt. Die Finnen wiesen darauf hin, dass man schon Häuser habe und diese serienmäßig in Fabriken herstelle. Auf diesem Gebiet war die finnische Holzindustrie führend; die Deutschen hatten seit 1938 den Plan, Wohnhäuser fabrikmäßig zu bauen. Trotz Wunschdenken und Ideenreichtum hinkte die deutsche Holzindustrie weit hinterher. Die Gebäudevorschläge, also die Grundrisse der Häuser, passten sehr gut in die sozialarchitektonische ideologische Vorstellung der Nationalsozialisten. Allerdings war das Holzhausprojekt wegen der hohen Brandgefahr auch recht umstritten.

Wie Peter Plischeswki im Laufe der Zeit herausgefunden hat, gab es drei Finnenhaustypen. Die für die Marine-Industrie verwendeten eingeschossigen Typen „Helsinki“ und „Lahti“ wurden in Schleswig-Holstein in den Orten Ascheberg, Bordesholm, Einfeld, Flintbek, Lübeck, Preetz, Wedel und Schönberg errichtet. In Schönberg gibt es außerdem noch den zweigeschossigen Typ „Kotka“. Außerhalb Schleswig-Holsteins wurden die eingeschossigen Typen in Köln, Rostock, Rathenow und in Metzingen in Baden Württemberg gebaut.

Der für die Luftwaffenindustrie gebaute Typ war um ein Zimmer - also 10 qm - größer und wurde in folgenden Orten gebaut: In Brandenburg war es Basdorf, Ludwigsfelde, Marienfelde, Oranienburg und Prenzlau. In Sachsen im Ort Dessau-Alten gebaut. In Mecklenburg-Vorpommern waren es die Orte Anklam und Peenemünde. In Nordrhein-Westfalen baute man in Berghausen-Friedlingsdorf. In Niedersachsen waren es Delmenhorst, Hannover-Langenhagen und Hannover-Wülfel. In Bayern wurde gebaut in Ainring, Augsburg-Haunstetten und Hof. Außerdem wurden sie noch im so genannten „Luftschutzkeller Österreich“ gebaut. Dort waren die Orte Enzesfeld, Spittel/Drau, Waidhofen/Ybbs, Wien-Neudorf sowie in Wiener-Neustadt. Alle geplanten 36 Siedlungen wurden errichtet, insgesamt sind es 3600 Doppelhäuser.

Die Auftraggeber waren in erster Linie Marine-Werften und Werke für Flugzeuge oder Flugzeugmotoren. Diese übergaben die Planung der Siedlungen an die Reichheimstätte. Den Aufbau der Häuser übernahmen einheimische Baufirmen, mit wenigen deutschen Fachkräften und mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene wurden eingesetzt, weil die meisten deutschen Fachkräfte an der Front waren. Die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen kamen aus ganz Europa. Auch KZ-Häftlinge wurden beim Bau eingesetzt. aber nur bei der Siedlung Köln. Diese kamen als Baubrigade aus Buchenwald. Die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen hatten meist ihr Lager dicht oder sogar in der zu bauenden Siedlung. Die große Baracke sollte später als Behörde und Gemeinschaftshaus dienen, was auch mancherorts geschah.

Der Baustil ist für unsere Gegend ungewöhnlich. Wenn er dann noch als ganze Siedlung auftritt, ist das schon sehr auffällig. Die Finnenhäuser sind als Doppelhäuser konzipiert. Fast ganz aus Holz außer Keller, Brandmauer und Schornstein. Die Außenbretterfassade war in zwei unterschiedlichen Brauntönen gehalten, was damals auch als Luftschutz gegen Bombenangriffe wirken sollte. Charakteristisch waren auch die weißen Sprossenfenster und die mit Biberschwanz-Ziegeln gedeckten Dächer. Für die damaligen Bewohner war es etwas Besonderes, dass ein WC im Haus vorhanden war. Speziell für die Häuser wurde im vorderen Teil ein Luftschutzkeller gebaut. Die Kellerdecke dort hatte 200 kg Schuttlast im Falle eines Einsturzes zu tragen. An der Seite war ein übergroßes Kellerfenster zum Rauskriechen aus dem Luftschutzkeller. Neu war die Luftbewegung zwischen Holzfassade und Kellerdecke zum Luft-Wärme-Austausch und die innen an der Holzwand angebrachte so genannte Finnenpappe.

Die Siedlung in Einfeld wurde "Neue Heimat" genannt und es wurden 159 Häuser für 318 Familien aufgestellt, vor allem für kinderreiche aus dem Raum Kiel. Die ersten Familien zogen Ende März 1943 in die Finnenhäuser ein.
Kenner und Besitzer schätzen besonders die Raumaufteilung, auch wenn das Halbhaus nur eine Wohnfläche von 75 qm hat. Noch ein großer Vorteil ist die Unterkellerung im ganzen Haus. Zusätzlich ist zu erwähnen, daß die Grundstücke auch nicht zu groß sind – im Durchschnitt 400 qm. Das reicht zu einem schönen Garten gleich am Haus, den man bis ins hohe Alter pflegen und geniessen kann.


Quellen: (1.) Aufzeichnungen von Peter Plischewski - † 25.12.2022 (2.) Chronik und Aufzeichnungen der Schulen für die Zeit von 1940 bis 1945. (3.) Satzung der Stadt Neumünster für die Baugestaltung der „Finnenhaussiedlung“ im Stadtteil Einfeld vom 17. Juli 1985